Alles, was wir geben mussten

Ich habe “Alles, was wir geben mussten” innerhalb kürzester Zeit gelesen und wurde sehr von der Geschichte, die Kazuo Ishiguro gezeichnet hat, eingenommen. Der Titel hat einen schönen Lesefluss, der durch die reduzierte Schreibart wirklich unterhalten hat.

Wir begleiten Kathy und ihre Freund:innen durch eine besondere Schulzeit im Internat, deren Absurdität erst im Laufe des Romans an Klarheit gewinnt. Genauso, wie die Schüler:innen sich ihrer eigenen Außergewöhnlichkeit anfangs nicht bewusst sind, begleitet auch die Lesenden zunächst lediglich ein ungutes Bauchgefühl, während sie den Alltag und Umgang innerhalb des von der Außenwelt abgeschirmten Internats beobachten.

Neben dem Hauptthema, welches sich im Laufe des Lesens herauskristallisiert, hat das Buch viele weitere Gedanken angeregt, z.B. über die Bewertbarkeit von Menschen und ihrem künstlerischem Werk. Auch die Themen der Fremdbestimmung, Sterblichkeit und Resignation werden bei mir noch lange nachhallen.

Etwas schade fand ich, dass man sich die meisten tiefergehenden Gedanken als Leser:in alleine nach Beenden des Buches machen muss, da das Buch selber die Themen nur anreißt, ohne sie weiter auszuführen. Ich hatte so vorher das Gefühl, etwas hingehalten zu werden, da in der Ausführung die unterschwellige, dystopische Spannung, von der der Roman lebt, einen ständig auf später verweist (á la “zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was ich später lernen würde aber…”). Das erschien mir schnell zu simpel, mir wäre eine weniger explizite Schreibweise lieber gewesen, besonders da nachher nicht im Tiefgang auf die Themen eingegangen wird. Und auch wenn ich inhaltlich verstehe, warum viele der Themen eher unterschwellig angesprochen werden (denn es passt zu der Gewöhnung der Protagonist:innen an die Strukturen, die sie geprägt haben)– es hinterlässt mich etwas unbefriedigt. Ich gelange wie oft zu der Frage, wie gefällig Inhalt und Schreibweise sein müssen und ob das Buch nicht gerade deswegen so gut sein kann– weil Ishiguro sicherlich reißerischer gekonnt hätte, sich aber aktiv für Unterschwelligkeit und Resignation entschieden hat.

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